Die Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift (Abkürzung NWÜ; englisch: NWT New World Translation of the Holy Scriptures) ist eine von der Wachtturm-Gesellschaft, der gemeinnützigen Verlagsunternehmung der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, herausgegebene Bibelübersetzung. Die erste Ausgabe in englischer Sprache (Neues Testament) wurde 1950 veröffentlicht. Bis heute ist sie aus dem Englischen – nach Angaben der Herausgeber unter getreuer Berücksichtigung der Ursprachen – in über 193 Sprachen weiterübersetzt worden, auch ins Deutsche.
Die verschiedensprachigen Derivate der „Neue-Welt-Übersetzung“ werden von den Zeugen Jehovas für die liturgischen und katechetischen Zwecke des Gottesdienstes und für ihr Missionswerk verwendet. Die Bibelübersetzung ist nicht im regulären Buchhandel erhältlich, sondern wird von ihnen in der Öffentlichkeit kostenfrei verbreitet.
Merkmale
Die Neue-Welt-Übersetzung ist eine strukturtreue Bibelübersetzung, ähnlich wie die Elberfelder Bibel und die Schlachter-Bibel. Die Übersetzer erheben den Anspruch, dass es sich um eine „genaue, zum großen Teil wörtliche Übersetzung aus den Ursprachen unter Berücksichtigung der englischen Ausgabe“ handele. Sie ist nach Ansicht der Herausgeber „keine freie Wiedergabe, bei der die Übersetzer Einzelheiten, die ihnen als unwichtig erscheinen, weglassen und Gedanken, von denen sie meinen, sie könnten hilfreich sein, hinzufügen.“ Nach Ansicht der Zeugen Jehovas hielten sich die Übersetzer „genau an den Grundtext.“
Die Kapitel- und Verseinteilung richtet sich nach der englischen King-James-Version und weicht damit an einzelnen Stellen von den verschiedenen im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Einteilungen ab.
Ähnlich wie viele protestantische Übersetzungen enthält die NWÜ nicht die deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments.
Die Verwendung von „Jehova“ als Namen Gottes
Die Neue-Welt-Übersetzung verwendet für den Eigennamen des biblischen Gottes JHWH (Tetragrammaton) den Namen „Jehova“. Jehova wird an 7216 Stellen des Textes (AT und NT) wiedergegeben. Die Übersetzer weisen darauf hin, dass die genaue historische Aussprache des Tetragramms derzeit nicht exakt rekonstruierbar sei.
Die Verwendung im Alten Testament
Die Übersetzer setzten im Text des AT an 6828 Stellen die Lesart Jehova ein, wo in der Biblia Hebraica Stuttgartensia und der Biblia Hebraica von Rudolf Kittel יהוה vorkommt.
Des Weiteren fügten sie den Gottesnamen an 133 der 134 Stellen ein, die die Masoreten als unzulässige Veränderung des Tetragrammatons in „Adonaj“ durch die jüdischen Soferim auflisteten. Sie folgten außerdem dem Bibelgelehrten Christian David Ginsburg, der acht Stellen identifizierte, an denen die Soferim ihn durch Elohim ersetzt hatten. Schließlich fügten sie den Namen gemäß der Lesart der Septuaginta an drei Stellen ein, was konform zu den Fußnoten der Biblia Hebraica ist.
Die Verwendung im Neuen Testament
Die Übersetzer verwendeten bei ihrer Arbeit textkritische Ausgaben des griechischen Neuen Testaments, in solchen ist der Name Gottes „Jehova“ oder „Jahwe“ nicht zu finden (siehe auch JHWH im Neuen Testament). Lediglich in Offenbarung 19 findet sich die Kurzform des Namens an vier Stellen im Wort Hallelujah, was „Preist Jah“ bedeutet.
JHWH oder dessen Lesarten sind in den erhaltenen Manuskripten des Neuen Testamentes nicht überliefert. Jehova wurde an 237 Stellen eingefügt, überwiegend bei Zitaten aus dem Alten Testament, die das Tetragrammaton enthalten. Ihre Vorgehensweise begründen die Übersetzer mit einigen Papyrusfunden, die belegen, dass das Tetragrammaton in der Septuaginta Verwendung fand (z. B. Papyrus Fouad 266).
Der Name „Jehova“ wurde darüber hinaus an Stellen eingefügt, bei denen nicht aus dem Alten Testament zitiert wird, zum Beispiel in 2. Korinther 3:14-18, in Epheser 2:19-22 und an weiteren Stellen. Die Übersetzer begründen dies vor allem mit hebräischen Übersetzungen des Neuen Testamentes, sogenannten „J texts“. Bei diesen Übertragungen aus dem Griechischen ins Hebräische haben die Übersetzer die im griechischen Text vorhandenen Wörter für „Herr“ (κύριος Kyrios) und „Gott“ (Θεός Theos) in Bezug auf JHWH mit dem Tetragrammaton wiedergegeben. Die NWÜ zitiert also an diesen Stellen andere Übersetzungen und nicht den Bibeltext. Außerdem haben sie nicht überall, wo in J-Texten יהוה vorkommt, auch "Jehovah" eingesetzt, z. B. in 1.Petrus 2,3 oder 1.Petrus 3,15.
Kritik
Kritik an den englischsprachigen Ausgaben:
Bruce M. Metzger, ein emeritierter Professor am Theologischen Seminar der Princeton University und ehemals Vorstand der American Bible Society, meint, dass die Übersetzung bestimmter Passagen in der englischsprachigen Neue-Welt Übersetzung der Heiligen Schrift (NWÜ) einseitig die Lehren und Praktiken der Zeugen Jehovas begünstigen. Harold H. Rowley kritisierte 1953 die Vorabveröffentlichung des ersten Bandes der englischen Fassung (Genesis to Ruth) als ein glänzendes Beispiel dafür, wie die Bibel nicht übersetzt werden sollte (“a shining example of how the Bible should not be translated”). Andererseits urteilte der Bibelwissenschaftler Jason BeDuhn von der Northern Arizona University in seiner Studie über die neun meistbenutzten Bibeln in der englischsprachigen Welt, dass die NWÜ zwar nicht frei von Einseitigkeiten sei, aber dennoch „die genaueste der verglichenen Übersetzungen sei“, eine „bemerkenswert gute Übersetzung“. Benjamin Kedar von der Hebrew University of Jerusalem beschrieb die NWÜ als ein Werk, das „ehrliches Bemühen um ein möglichst genaues Textverstehen erkennen lässt“ (“an honest endeavor to achieve an understanding of the text that is as accurate as possible”).
Metzger urteilt, dass man im Ganzen einen einigermaßen guten Eindruck von der wissenschaftlichen Befähigung der Übersetzer bekomme, kritisiert im Fortgang aber die Einfügung des Namens „Jehova“ im Neuen Testament, der in den griechischen Handschriften nicht existiert. Die Wachtturmgesellschaft gibt an, der Gottesname sei auf einer vernünftigen Basis „wiederhergestellt“ worden, insbesondere an Stellen, an denen die Autoren des Neuen Testaments bei der Wiedergabe von Stellen aus dem Alten Testament, die das Tetragrammaton enthielten, kyrios („Herr“) schrieben. Sie sehen sich durch Bibelwissenschaftler wie George Howard und R. B. Girdlestone unterstützt. George Howard stellte in einem Brief klar, dass er die Überlegungen der Zeugen Jehovas nicht unterstützt. So schrieb er am 8. Juli 1988 an Rud Persson:
“The Jehovah Witnesses have made too much out of my articles. I do not support their theories.”
„Die Zeugen Jehovas machten zu viel aus meinen Artikeln. Ich unterstütze ihre Theorien nicht.“
– George Howard: Brief an Rud Persson